02. 06. 2025
Verfasst von: Dirk Joachim Lehmann
Mensch und KI – ein Szenario für das Expertentum
Der Einsatz künstlicher Intelligenz führt zu einer gesellschaftlichen Transformation, die sich insbesondere in der Arbeitswelt durch weitreichende Veränderungen auszeichnet. KI verkürzt Bearbeitungszeiten und steigert die Produktivität, doch diese Vorteile bergen auch Risiken. Wie wirkt sich der KI-Einfluss auf das Expertentum und damit auf die gesellschaftliche Stabilität aus? Prof. Dr.-Ing. Dirk Joachim Lehmann von der Ostfalia Hochschule gibt Denkanstöße und mahnt neue Ansätze in der Ausbildung an.
Gesellschaftliche Transformation durch künstliche Intelligenz
Unser Vertrauen verlagern wir in vielen Bereichen von menschlichen Fachleuten auf künstliche Intelligenz – von der Medizin bis hin zur Technik. Gleichzeitig sinkt die Notwendigkeit, menschliche Expertise aufzubauen und zu pflegen, da wir KI-Modelle oft als bequeme und schnelle Lösung betrachten. Nahezu täglich werden KI-Modelle in Schule, Ausbildung, Studium und im Beruf befragt. Auch dieser Beitrag wurde beispielhaft von generativen KI-Modellen beim Korrekturlesen und bei der Bilderstellung unterstützt, was die Erstellungszeit erheblich verkürzte und meine Produktivität deutlich steigerte. Dadurch konnte ich mich als Autor vollständig auf die Inhalte konzentrieren.
KI-Modelle müssen regelmäßig gepflegt werden
Doch diese Entwicklung ist nicht ohne Risiko. Ein kontrovers diskutierter Aspekt ist ihr Einfluss auf das Expertentum und die damit verbundenen Konsequenzen für die langfristige gesellschaftliche Stabilität. Eine Hypothese lautet, dass eine Vielzahl von KI-Modellen zur „Verschlackung“ neigen könnte – das heißt, ihre Zuverlässigkeit und Leistungsfähigkeit nehmen mit der Zeit ab, wenn sie nicht regelmäßig gepflegt und mit aktuellen Daten angepasst werden. Zudem werden Daten zunehmend selbst durch KI-Systeme generiert, die kaum neue semantische Informationen einer konkreten zugrundeliegenden Domäne liefern, wodurch sich der beschriebene Trend weiter verstärkt. Eine sich verschlechternde Modellqualität kann zunehmend zu Fehlentscheidungen führen, auch in kritischen Bereichen wie der Gesundheitsversorgung oder dem Infrastrukturmanagement.
Nimmt Expertise ab, geht auch Kontrolle verloren
Die beiden Bewegungen – der Verlust menschlicher Expertise einerseits und die Verschlechterung der Modellqualität andererseits – verlaufen in gewisser Weise gegeneinander phasenverschoben. Dadurch entsteht eine riskante Dynamik: Der Bedarf an menschlicher Expertise steigt genau dann, wenn diese kaum noch verfügbar ist. Die Gesellschaft wird somit in eine paradoxe Situation geführt, in der sie einerseits stark auf KI angewiesen ist, andererseits jedoch immer weniger Kontrolle über deren korrekte Funktionsweise hat.
Expertentum bewusst fördern
Um diesem Effekt entgegenzuwirken, sind neue Ansätze in der Ausbildung nötig: Der Fokus sollte auf der bewussten Förderung von Expertentum liegen. Fehler sollten als integraler Bestandteil des Lernprozesses akzeptiert werden, der durch eigenes Problemlösen – auch ohne den Einsatz von KI – entsteht. So können wir nachhaltige Expertise erhalten, die unabhängig von KI-Modellen funktioniert und diese im Notfall prüfen, korrigieren und ersetzen kann.

Institute for Information Engineering

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38302 Wolfenbüttel

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