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Den „Puls der Bäume“ erspüren

14. 02. 2024
Verfasst von: Matthias Beyer

Den „Puls der Bäume“ erspüren

In einem Buchenmischwald hängen an einigen Baumstämmen Messgeräte. © Matthias Beyer
Wie geht es dem Wald? Im Weserbergland werden an 37 Bäumen Daten zu Saftfluss, Stammwassergehalt, Bodenfeuchte und Wasserpotenzial kontinuierlich aufgezeichnet. Drohnenflüge mit Infrarot-Kameras geben Aufschluss über die Transpirationsleistung.

Extremwetter und Dürreperioden machen den europäischen Wäldern zu schaffen. Grund genug, mehr über die Vegetation und ihre Wasserquellen zu erfahren. Aus welchen Tiefen bekommen verschiedene Pflanzen ihr Wasser? Mit dem „geheimen Leben“ von Pflanzen und Bäumen beschäftigt sich die Nachwuchsforschungsgruppe „Isodrones“ der Technischen Universität Braunschweig. Innovative Messverfahren unter der Erde und aus der Luft vermitteln neue Erkenntnisse über den Wasserhaushalt unserer Bäume.

Innovative Messungen mit Wasserisotopen und Thermalkameras

Pflanzen und Bäume sind immens wichtig für den globalen Wasserkreislauf. Doch genau dieser steht aufgrund der klimatischen Veränderungen enormen Herausforderungen gegenüber – wie nicht zuletzt das großflächige Waldsterben der vergangenen Jahre eindrucksvoll demonstriert. „Wir müssen nun dringend erforschen und verstehen, was wir konkret tun können, damit Wälder und Stadtgrün resilienter werden“, sagt Dr. Matthias Beyer. Seit 2018 leitet er die von der VolkswagenStiftung geförderte Nachwuchsforschungsgruppe „Isodrones“ an der Technischen Universität Braunschweig. Entscheidend ist der Wasserhaushalt der Bäume – ihr „Puls“. Doch Prozesse, die unter der Erde stattfinden, sind schwierig zu erfassen. Dafür entwickeln und testen Matthias Beyer und sein Team neuartige und innovative Ansätze.

Neue Messmethoden für die Forstwirtschaft

Eine der effektivsten Methoden, um Wasseraufnahmetiefen von Vegetation zu bestimmen, ist es, stabile Wasserisotope in Böden und Pflanzen zu messen. Die Forscherinnen und Forscher wollen diese Messungen mittels eines mobilen Laserspektrometers, gaspermeabler Membranen sowie Bohrlöchern in verschiedene Bodentiefen und im Stamm direkt im Feld ermöglichen. So können sie erstmals – ergänzt durch eher klassische ökohydrologische Methoden (Saftflussmessungen, Bodenfeuchte, Wasserpotential) – die Dynamiken von Wasseraufnahmetiefen und -mengen verschiedener Baumarten systematisch erfassen. „Dieses Monitoring birgt ein enormes Potenzial“, betont Matthias Beyer. „Mit unseren integrierten Messungen erfassen wir hochaufgelöst die Interaktionen zwischen Boden und Pflanze, was es uns ermöglicht, das gesamte System besser zu verstehen.“

In der Foto-Collage ragen Schläuche aus dem Waldboden und aus einem Baumstamm, Messgeräte sind am Boden und an Stämmen verteilt. In einem Labor stehen Flaschen mit Wasserproben, Messgeräte und ein Monitor. © Matthias Beyer
Typischer Versuchsaufbau im Feld: Wasserflüsse aus dem Boden und aus Baumstämmen werden gemessen und mit einem Wasserisiotopen-Monitoring kombiniert, um die Anteile verschiedener Bodenwasserquellen an der Transpiration kontinuierlich zu quantifizieren.

Die Methode wurde zunächst in einem Laborversuch getestet. Anschließend wurde sie in groß angelegten Versuchen in einem Trockenwald im Nordwesten Costa Ricas und in der Biosphere 2, einem Forschungskomplex mit künstlich angelegten Ökosystemen in den USA, umgesetzt. In diesem einzigartigen Experiment, das das renommierte Science-Journal publizierte, wurde ein tropischer Regenwald über einen Zeitraum von mehreren Monaten ausgetrocknet und anschließend „von unten“ wiederbewässert. Ziel von Beyers Forschungsgruppe Isodrones ist es, die Messmethode unter anderem in die forstwirtschaftliche Praxis zu bringen. Ihm ist es ein wichtiges Anliegen, dass „wir als Wissenschaftler auch die praktische Relevanz unserer Arbeit hinterfragen“.

In der Grafik nimmt je ein Baum mit tiefen und flachen Wurzeln Wasser aus dem Boden auf. Die unterschiedlichen Isotopenwerte sind farblich markiert. © Kathrin Kühnhammer, Isodrones
Bäume nehmen Wasser aus verschiedenen Bodenschichten auf, die eine unterschiedliche Zusammensetzung von Wasserisotopen haben. Durch Vergleich der Isotopenwerte im Baum und Bodenprofil können die Wasseraufnahmetiefen der Bäume quantifiziert werden.

Baumkrone spiegelt Bodenverhältnisse wider

Bei einem zweiten Forschungsansatz geht es in die Luft. „Die Baumkrone spiegelt das wider, was im Boden passiert“, erklärt Matthias Beyer den Einsatz von Drohnen. „Die Idee in meinem Projekt ist es, durch Messungen weit über den Bäumen Rückschlüsse auf Prozesse unter der Erde zu ziehen.“ Zu diesem Zweck werden thermale Infrarotdaten erfasst, um Blatt- und Bodentemperaturen zu bestimmen. Das ermöglicht es, die Prozesse auf Blattebene mit unterirdischen Wassertransportprozessen zu verbinden. „Wir wollen einen einzigartigen Datensatz erschaffen. Die größte Herausforderung hierbei ist es, Drohnen-basierte Thermaldaten so gut zu kalibrieren, dass sich die Blatttemperaturen genau abschätzen lassen“, erläutert der Hydrologe. „In dieser Methode sehe ich großes Potential, daher haben wir sehr viel Zeit in diese Arbeit investiert.“

Das Luftbild eines Waldstücks ist in Messpunkte und Segmente eingeteilt und zeigt einzelne Baumkronen. Der Gesundheitszustand der Vegetation ist farbig markiert. © Matthias Beyer
Aus der Luft messen die Forschenden mit Infrarot-Kameras die Temperaturen in Baumkronen und am Boden. Darüber bestimmen sie Transpirationsraten und Stressfaktoren. In der Auswertung stehen die roten Bäume für gesunde Vegetation und kühle Temperaturen, violette Bäume sind leicht erkrankt. Grüne Flächen besiedeln kranke Bäume oder kaum Vegetation, hier ist es am heißesten.

Das Forschungsteam führte am Trockenwaldstandort in Costa Rica teils sehr aufwändige Drohnenflüge über längere Zeiträume durch. Beispielsweise dokumentierte es den Zustand des Waldes vor Sonnenaufgang und während des Sonnenhöchsstandes und verglich ihn mit In-situ-Variablen. Mit akkurat kalibrierten Blatttemperaturen können die Forschenden nun Transpirationsraten, Stressfaktoren und den Status der Spaltöffnungen im Blatt nicht nur auf Waldebene, sondern auch für einzelne Bäume und sogar einzelne Blätter bestimmen. Alle diese Messungen sind mit anderen Methoden sehr aufwändig und bleiben oft auf Einzelbäume beschränkt. Darüber hinaus entwickelte die Gruppe eine Drohne, die in der Lage ist, Astproben für die Analyse einer Vielzahl baumspezifischer Parameter zu sammeln.

Monitoring: Wie geht es den Bäumen?

Die Arbeit von Beyers Gruppe hat sich ausgezahlt: In zwei kürzlich bewilligten Folgeprojekten werden die neuen Methoden angewandt, um die Verbindung von Wäldern mit ihren Wasserressourcen sowie den Wasserhaushalt von Stadtbäumen längerfristig zu erfassen. „Es geht darum, die widerstandsfähigsten und anpassungsfähigsten Baumarten auszuwählen, die in Zukunft hier wachsen können“, beschreibt Matthias Beyer die Projektziele. „Wir wollen ein Echtzeit-Monitoring dafür aufbauen, wie es den Bäumen geht, und dies auch mit der Öffentlichkeit teilen.“

 

Hier finden Sie weitere Informationen:

Redaktioneller Hinweis: Dieser Text steht unter der CC BY 3.0 DE-Lizenz
Zitation: Beyer, M. (2024). Den „Puls der Bäume“ erspüren. Wissen hoch N. https://doi.org/10.60479/8Y01-AE91
Porträtfoto
Dr. Matthias Beyer
Adresse
Technische Universität Braunschweig
Institut für Geoökologie
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Technische Universität Braunschweig, Transferservice, Technologietransfer
Adresse
Rebenring 33
38106 Braunschweig
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